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Mit Nähe geht auch immer ein Risiko für sexuelle Übergriffe einher
Heikle Begegnungen eröffnen meist auch einen riskanten Interpretationsraum
Das Ziel von Risikomanagement
So geht Risikomanagement (nach Limita; gekürzt)
Jugendarbeit ist ohne Beziehungsarbeit undenkbar. Glaubwürdige Leiterinnen und Leiter begegnen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit echter Bezogenheit – als «ganze» Menschen mit ihren Gedanken, Emotionen und körperlichen Bedürfnissen. Auch unter den Teilnehmenden wünschen wir uns gelungene Beziehungen.
Besonders heikel sind Beziehungen, in denen eine Person mehr Macht als die andere hat (Bsp.: Leitungspersonen) oder ein grösserer Altersunterschied besteht. Um Nähe und Distanz gut zu gestalten, müssen sich Leiterinnen und Leiter daher ganz besonders ihrem Auftrag und ihrer Rolle bewusst sein.
Irritationen lösen Gefühle aus – diese sind jedoch je nach Situation und Person (z.B. geprägt durch eigene Erlebnisse) sehr unterschiedlich. Im Risikobereich bewegen wir uns in einem vagen Graubereich, in dem nicht immer alles ganz klar benannt werden kann. Unsere Devise im Umgang mit Risiken lautet: Aktive Klärung im Graubereich. Wir wollen eine angemessene und rollenklare Balance von Nähe und Distanz. Es geht also, so die Fachstelle Limita, nicht um ein «Entweder – oder», sondern um ein dosiertes «Sowohl als auch».
Das Ziel eines sorgfältigen Risikomanagements in einer Organisationen ist, wie die Fachstelle Limita aufzeigt, «nicht die Vermeidung sämtlicher Risiken (das ist unmöglich), sondern deren transparente und aktive Gestaltung». Daher muss jede Organisation genau analysieren, welche konkreten Risikosituationen für den Aufbau von Taten ausgenutzt werden könnten. Für jede erkannte Risikosituation können konkrete Verhaltensstandards definiert werden. Neben den Verhaltensstandards sind die Grundhaltungen ein wichtiger Teil des Risikomanagements. Für das PraiseCamp18 arbeiteten wir diese zwei Aspekte in einen Verhaltenskodex ein (Siehe Download unten). Dieser Verhaltenskodex war unser Instrument für das Risikomanagement und musste im PraiseCamp von allen Mitarbeitenden unterzeichnet werden. Mit Hilfe dieses Risikomanagements werden alle Seiten geschützt – die Teilnehmer*innen vor sexuellen Übergriffen und die Leiter*innen und Mitarbeiter*innen vor Falschanschuldigungen. Weitere Informationen zum Risikomanagement und zur Erarbeitung von Verhaltensstandards findet ihr im entsprechenden Leitartikel der Fachstelle Limita.
![InkedKompass (Risikomanagement nach Limita)_Jugendallianz1 InkedKompass (Risikomanagement nach Limita)_Jugendallianz1](https://jugendallianz.ch/wp-content/uploads/sites/7/2021/08/InkedKompass-Risikomanagement-nach-Limita_Jugendallianz1-600x337.jpg)
Prävention ist Chefsache
Klarheit schützt
Kein Copy Paste
Analysiert euren Graubereich
Formuliert Haltungen
Formuliert Standards
Installiert eine beschwerdefreundliche Meldestelle
Bildung und Weiterbildung
Wissen schützt
Vernetzt euch
Risikomanagement: Was ist zu tun?
«Das Ziel eines sorgfältigen Risikomanagements in Organisationen ist nicht die Vermeidung sämtlicher Risiken, sondern deren transparente und aktive Gestaltung.» (Quelle: Limita)
Die Leitung sollte sich möglichst geschlossen diesem Thema annehmen. Die Haltungen und Standards entfalten nur dann eine Wirkung, wenn sie von einer Gruppe mitgetragen werden.
In einer Gruppe über Sexualität, Körperlichkeit und Grenzen sprechen ist nicht einfach. Diese Themen sind oft schambeladen und für einige vielleicht auch schwierig zu artikulieren. Dennoch ist es wichtig, darüber zu reden. Denn erst Klarheit schafft eine gute Balance von Nähe und Distanz. Die Fachstelle Limita zeigt auf, dass eine «Kultur der Besprechbarkeit» im Graubereich oder bei Irritationen schützt. Alles was unklar bleibt, lässt Raum für Interpretationen und Übergriffe. Schafft daher einen Rahmen, in welchem ihr gut über dieses Thema sprechen könnt. Lasst den Prozess bei Bedarf von jemand externen moderieren.
Von anderen lernen ist OK, einfach nur kopieren oder ein vorgefertigtes Dokument unterzeichnen, nützt hingegen nichts. Prävention funktioniert nur dann, wenn die Standards auf die bei euch spezifischen Risikosituationen abgestimmt sind. Daher: Nehmt euch Zeit, eure Risikosituation genau zu analysieren. Und zieht optimalerweise eine externe Stelle als Unterstützung und unbefangenen Blick von aussen bei (z.B. die Fachstelle Limita).
Heikle Situationen / Risikosituationen sind Teil jeder Beziehungsgestaltung und gehören zum Normalfall in der kirchlichen Jugendarbeit. Wo bestehen in euren Angeboten besondere Risiken? Die Fachstelle Limita führt folgende Beispiele auf:
- Z.B. generell Zweiersituationen (Einzelgespräche, Seelsorge, Gebet,…)
- Z.B. Räume der Intim- und Privatsphäre (Nasszellen, Garderoben, Schlafräume in Lagersituationen,…)
- Z.B. Hilfestellungen/ Körperkontakte (Begrüssung, Assistenz im Sport, Trösten,…)
- Z.B. Besondere Situationen (Privatkontakte, Kosenamen, Aufklärung, Geschenke, Distanzverluste von Seiten Jugendlicher,…)
- Z.B. Externe Kontakte (Fahrdienste, Arztbesuche,…)
Wie wollt ihr bei euch in der Jugendarbeit miteinander umgehen? Die Grundhaltungen definieren allgemeingültige Werte. Ihr könnte auf dieser Ebene festhalten, was ihr für einen Umgang miteinander wollt. Ein Beispiel dafür liefert euch das Prinzip 4 der «Charta christlichen Kinder- und Jugendarbeit».
Haltungen werden bewusst allgemein formuliert. Bei den Standards hingegen wird festgehalten, wie man sich in einer konkreten Risikosituation zu verhalten hat. Standards sind konkret. Gemäss dem Konzept der Fachstelle Limita zur Prävention sexueller Ausbeutung müssen beim ausformulieren von Standards folgende Fragen geklärt werden:
- Was gehört zur Rolle? Rollenklarheit
- Was ist mein Auftrag? Auftragsklärung
- Wie gestalte ich die Situation? Verantwortung
- Was bedingt Transparenz? Hol- & Bringschuld
Was tun eure Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wenn sie eine Situation beobachtet/erlebt haben, die sie irritiert? Da ja auch Leitende von einer Situation betroffen sein können, macht es Sinn, eine neutrale Meldestelle zu installieren. Eure Meldestelle sollte von einer möglichst unabhängigen und geschulten Person geführt werden. Informiert euch in eurem Kirchenverband/ eurer Organisation, ob es bereits eine solche Meldestelle gibt. Beschwerdefreundlich heisst: Es sollte in Ordnung sein, einen Vorfall zu melden.
Verschiedene Fachstellen und Organisationen bieten Aus- und Weiterbildungen zu diesem Thema an. Es lohnt sich, in jedem Team einige Personen zu haben, welche im Bereich der Prävention minimale Grundkenntnisse haben.
Das Risikomanagement gehört an die Info-Wand und nicht in die Schublade. Es darf, so die Fachstelle Limita, nie darum gehen, «mögliche Täter*innen zu identifizieren, sondern die Schwellen für Taten möglichst hoch zu legen». Das funktioniert, wenn eure Teilnehmenden und Leitenden über eure Haltungen und Standards im Bild sind. Gerade bei einem Machtgefälle fördert es die Handlungssicherheit von Beteiligten. Definiert genau, wo ihr das Risikokonzept weitervermitteln wollt. Leute in Leitungspositionen kann der Verhaltenskodex zum Unterzeichnen vorgelegt werden.
Viele Fragen im Grenzbereich sind schwierig zu beantworten. War eine Handlung unbeabsichtigt oder einfach ein fachlicher Fehler? Besteht bereits eine strafrechtlich relevante Situation? Klärt in eurem Konzept ab, welche Fachstellen ihr zur Beratung beiziehen könnt.
Download
- Beispielkonzept Praisecamp 2018 (Dieser Verhaltenskodex für das Risikomanagement darf gerne als Grundlage in eurer Jugendarbeit verwendet werden. Dies macht jedoch nur dann Sinn, wenn ihr das Konzept auf eure besondere Situation hin überarbeitet.)
FAQ
Braucht es einen Sonderprivatauszug für Mitarbeitende in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit?
Um was geht’s?
Seit dem 1. Januar 2015 gibt es den Sonderprivatauszug. Im Gegensatz zum Strafregisterauszug in welchem alle Urteile aufgeführt sind, gibt der Sonderprivatauszug darüber Auskunft, ob es einer bestimmten Person verboten ist, eine Tätigkeit mit Minderjährigen oder mit besonders schutzbedürftigen Personen auszuüben oder mit solchen Personen in Kontakt zu treten. Damit sollen insbesondere Minderjährige und besonders schutzbedürftige Personen vor Sexualstraftaten besser geschützt werden.
Den Sonderprivatauszug kann nur bestellen, wer eine berufliche oder organisierte ausserberufliche Tätigkeit mit regelmässigem Kontakt zu Minderjährigen oder zu anderen besonders schutzbedürftigen Personen ausübt. Zu denken ist beispielsweise an eine Anstellung als Lehrperson, an eine Vereinstätigkeit oder an eine Begleitung in einem Ferienlager. Diese Person muss deshalb mit der Bestellung des Sonderprivatauszugs ein sogenanntes Arbeitgeberformular einreichen. Darin bestätigt der Arbeitergeber oder der Verantwortliche eines Vereins oder einer Organisation, dass sich der Gesuchsteller auf eine entsprechende Tätigkeit bewirbt oder eine solche Tätigkeit bereits ausübt.
Das Formular kann auf der Webseite www.strafregister.admin.ch heruntergeladen werden. Wie der Strafregisterauszug für Privatpersonen kostet auch der Sonderprivatauszug 20 Franken und kann sowohl online als auch in einer Filiale der Schweizerischen Post bestellt werden.
Einschätzung:
Ist es angebracht, von ehrenamtliche Mitarbeitenden in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit einen Sonderprivatauszug einzufordern? Der Jugendallianz sind bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Kirchen bekannt, welche für die Einstellung von ehrenamtlichen Mitarbeitenden einen Sonderprivatauszug verlangen. Oft sind die Mitarbeitenden selber noch minderjährig. D.h. dass noch gar kein Sonderprivatauszug vorliegt. Zudem ist es fraglich, ob Aufwand und Ertrag im Verhältnis sind.
Es macht mehr Sinn, beim anwerben von ehrenamtlichen Mitarbeitenden die Prävention zu thematisieren und sicherzustellen, dass die neue Mitarbeiterin/ der neue Mitarbeiter die Grundhaltungen und die Verhaltensstandards einer Kirche/Organisation verstanden hat. Durch die Unterschrift auf einem Verhaltenskodex kann der Mitarbeitende bestätigen, dass er bereit ist, diese Haltungen und Standards mitzutragen (Beachte dazu das Beispielkonzept des PraiseCamp im Downloadbereich).
Anders sieht die Situation bei Personen aus, die in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit angestellt sind. Bisher verzichten die meisten Landes- und Freikirchen darauf, einen Sonderprivatauszug für Angestellt einzufordern. Vor kurzem hat die Reformierte Kirche Aargau entschieden, das alle Angestellten verpflichtet sind, einen Sonderprivatauszug einzureichen (Nicht nur bei Neuanstellungen, sondern auch bei bestehenden Anstellungsverhältnissen). Beim Bistum St.Gallen ist es seit längerem üblich, bei Anstellungen Sonderprivatauszüge einzufordern.