Andi’s Kolumne

Schmerzhaftes Scheitern
Als SEA-Jugendbeauftragter bin ich von Berufes wegen Experte für Jugendallianz-Projekte. Weil ich nicht nur über das Miteinander reden will, arbeite ich in meiner Freizeit in der Jugendallianz meiner Region mit. Kürzlich mussten wir uns eingestehen, dass wir gescheitert sind. Die Jugendgottesdienste sind schlecht besucht und uns als Team geht langsam die Luft aus. Wir haben die Notbremse gezogen und stoppen das Projekt so bald als möglich.
Wir sind enttäuscht und ringen um Erklärungen. Sind es die schwierigen Umstände? Haben wir unseren Job schlecht gemacht? Und ich frage mich: Wie kann das trotz aller Erfahrung und Begeisterung gerade mir passieren? Ich habe mich für zweierlei entschieden: Erstens will ich nicht in Schuldzuweisungen versauern. Ich will der Versuchung widerstehen, andere als Sündenböcke zu opfern oder mich selber als Versager zu geisseln. Gerade jetzt habe ich die Chance, der Gnade Raum zu geben. Weil Gottes «Ja» unbedingt gilt, darf ich inmitten von Niederlagen und Versagen ganz «Ja» zu mir, zu uns, sagen.
Zweitens will ich über diese Niederlage sprechen. Unsere Gesellschaft und oft auch die Kirchen pflegen den Mythos der Erfolgsgesellschaft: Wenn du dich nur genug anstrengst, geht’s immer aufwärts. Wer versagt, ist selber schuld. Jeder, der ehrlich auf sein Leben schaut, kennt Niederlagen. Gerade für Kirchen ist es Zeit, diese nicht zu stigmatisieren. Denn zu einem gelungenen Leben gehört gerade auch ein guter Umgang mit Scheitern.
„Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre, der Fels meiner Stärke, meine Zuversicht ist bei Gott.“ (Ps. 62:1 L17)
Weitere Kolumnen
"Smartphone-Passwort als Treuebeweis"
Wie viele Leute kennen das Passwort Ihres Smartphones? Eine Umfrage hat ergeben, dass 70 Prozent der 15- bis 30-Jährigen in einer Beziehung den PIN-Code verraten. Das Teilen des Passwortes ist zum ultimativen Treuebeweis geworden. Nur wenn man jemandem wirklich nahekommt, lässt man ihn an den wichtigsten und intimsten Dingen des Lebens teilhaben – am eigenen Smartphone. Eltern, Lehrpersonen aber auch Pastoren beobachten dieses Verhalten junger Menschen mit einer Mischung aus Belustigung, Besorgnis und Unverständnis. Aus einem gutgemeinten Verantwortungsgefühl heraus versuchen Erwachsene, den Jugendlichen einen guten Umgang mit dem Smartphone beizubringen.
Doch sind Erwachsene in ihrer Mediennutzung jungen Menschen wirklich voraus? Ein ehrlicher Blick auf meinen eigenen Konsum oder auf meine surfenden Mitpassagiere auf dem Weg zur Arbeit ist ernüchternd. Die digitale Welt fordert uns alle gleichermassen heraus. Mehr als gutgemeinte, medienpädagogische Interventionen brauchen Jugendliche Vorbilder. Sie brauchen Frauen und Männer, welche ehrliche Einblicke in ihr Ringen um einen guten Umgang mit Medien geben. Als Jugendallianz haben wir einen runden Tisch einberufen. Gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen machen wir uns Gedanken darüber, wie Eltern und Verantwortliche aus Kirchen Jugendlichen in Medienfragen zu einem hilfreichen Gegenüber werden können. An unserem letzten Treffen haben wir gemerkt, dass auch
Experten in ihrem Umgang mit Medien letztlich nur Lernende sind. Zeit, sich von Idealbildern zu verabschieden.
«Nicht jeder von euch, meine Brüder, soll Lehrer werden; da wir doch wissen, dass wir ein desto strengeres Urteil empfangen werden.»
(Jakobus 3,1; Luther 2017)
"Sehnsüchte und Hoffnungen von Gamern"
Ab und zu checke ich auf Steam, einer online-Gameplattform die neusten Spieletrends. Die grafische Gestaltung und der Umfang dieser Games sind schlichtweg atemberaubend. Schon lange hat die Gameindustrie bezüglich ihres Umsatzes die Filmindustrie hinter sich gelassen. Mit ihren gewaltigen Mitteln und Millionen von Spielern setzt die Gameindustrie gesellschaftliche Trends. Gleichzeitig spiegelt sie die Befindlichkeit ihrer mehrheitlich jungen Gamer wieder. Auf den Steam-Streifzügen begegnen mir immer wieder ähnliche Bilder: Die Spieler tauchen in vielen Games in dystopische Endzeitszenarien ein. Einsame Helden müssen sich durch eine entvölkerte, zerstörte und lebensfeindliche Welt kämpfen. Die Natur, aber auch die Technik tritt ihnen in Form von Monstern oder Roboter feindlich gegenüber.
Hinter diesen destruktiven Szenarien tauchen immer wieder zwei grosse Themenbereiche auf: Einsamkeit und Ökologie. Wie gehen wir mit den Ressourcen unseres Planeten um? Wie gestalten wir vertrauensvolle Beziehungen? Die Games geben darauf keine Antwort. Höchste Zeit, dass wir in den Kirchen diesen Fragen viel Raum geben. Gemeinsam können wir die hoffnungsvolle Zukunftsperspektive der Bibel entdecken. Und uns fragen was es bedeutet, wenn Gott uns beauftragt, zu dieser Welt und zueinander Sorge zu tragen.
Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. (Gen. 2:15 L17)Seh
"Ein seniles Meerschweinchen"
Ein seniles Meerschweinchen
Ich hatte vor dem Traugottesdienst noch etwas Zeit und so schlenderte ich durch die altehrwürdige Klosterkirche. Ich bestaunte die Fresken und Statuen, als ich plötzlich ein paar Schritte zurückgehen musste. So als ob ich beim durchscrollen von Bildern etwas Bizarres sah, mein Hirn das aber erst ein paar Bilder später registrierte. Ich ging also zurück und sah zu Füssen einer Statue ein Tier liegen. Aber was um alles in der Welt sollte das sein? Ein seniles Meerschweinchen? Ein Ochse mit Heimweh oder ein betrunkener Hund? Ich war gleichermaßen amüsiert und irritiert. Ich konnte das Rätsel entschlüsseln, als ich herausfand wer sich da hoch über dem Tier erhob. Es war der Evangelist Markus. Sein Symboltier ist der Löwe. Wie konnte dem Künstler bei all der Schönheit in dieser Kirche ein solch lächerlicher Missgriff passieren? Dieser Statue hatte so wenig mit einem Löwen zu tun wie eine Glühbirne mit einem Sonnenaufgang.
Ein Pater klärte mich auf: Der der mittelalterliche Künstler hatte wohl nie einen echten Löwen gesehen, geschweige denn ein Foto. Er zeichnete wohl einzig aufgrund von Beschreibungen. Mein Lachen blieb mir im Hals stecken, als ich weiter darüber nachdachte. Sehen meine Bilder von Gott vielleicht genauso infantil aus, wie jener Löwe? Auch wir sprechen von Gott nur vom Hörensagen- niemand hat ihn je gesehen. Wir sind gut beraten, keine Bilder von Gott zu machen. Gott ist so viel grösser als alles was ich mir je vorstellen kann.
„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“
1 Korinther 13:12
"Durchgewetzte Jeans"
Erst waren die Stellen an den Knien nur gebleicht. Dann wurden sie weiss und bald war durch einzelne Fäden hindurch das nackte Knie zu sehen. Nachdem sich die ersten Fäden lösten, ging es schnell- der Riss wurde zum Loch und die Jeans zu unbrauchbaren Lumpen. Etwas irritiert stelle ich zur Zeit fest, dass alle meine Jeans bei den Knien Ermüdungserscheinungen zeigen. An meinem Gebetsleben kann es nicht liegen. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich, beschenkt mit kleinen Kindern, des Öfteren auf den Knien im nahen Bodenbereich aufhalte.
Wir Menschen gehen vor kleinen Kindern wir vor dem Allmächtigen gleichermassen in die Knie. Das eine Mal weil wir um unsere Grösse wissen, das andere Mal weil wir unserer Winzigkeit gewahr werden. Beide Male machen wir uns Klein. Kindern können wir dann in die Augen sehen oder ihnen die Schuhe binden. Vor Gott aber verbeugen wir uns in Ehrfurcht. Wenn wir «die Hälfte unserer Höhe opfern», so Romano Guardini, sagen wir damit «Du bist der grosse Gott, und ich bin Klein». Und vielleicht erfahren wir gerade in unserem Niederwerfen, wie Gott sich niederbeugt um zu uns auf Augenhöhe zu kommen. Um selber Mensch zu werden, war Gott sich nicht zu schade, sich für uns mehr als nur die Jeans durchzuwetzen. So erfahren wir paradoxerweise gerade im Knien, dass wir gedacht, geliebt und geschaffen sind.
„Kommt, lasst uns anbeten und knien und niederfallen vor dem HERRN, der uns gemacht hat. “
Psalm 95:6
"Wunderwaffe Marketing"
Alle die ein Angebot auf dem christlichen Markt platzieren wollen spüren es: Der Wettbewerb ist hart. Wer seine Angebote an die Frau und den Mann bringen will braucht Marketing: Ansprechende Bilder und Grafik, gut verständliche, emotionale Sprache und tägliche Social Media-Präsenz. Als mir kürzlich an einer Sitzung jemand sagte Marketing sei alles, wurde es mir doch etwas zu viel. Jesus hat schliesslich keine Marketing-Agentur gegründet. Aber um die theologische Begründung geht es mir gar nicht.
Matthias Brender untersucht in seiner IGW-Abschlussarbeit die «Beliebtheitsfaktoren christlicher Predigtvideo-Verkündigung». Dabei analysierte er auch die Qualität von Predigtvideos. Überrascht stellte der Autor fest, dass viele der beliebtesten Predigtvideos nicht einmal ein bewegtes Bild beinhalteten. Matthias Brender folgert daraus, dass es mehr auf den Vortrag und dessen Inhalt, weniger aber auf die visuelle Qualität ankommt.
Ist die Verpackung also egal? Ich glaube nicht, dass sich Christen durch Mittelmässigkeit auszeichnen sollten. Wir dürfen Exzellenz anstreben. Den besten Weg um Menschen für ein Anliegen zu gewinnen, sehe ich nach wie vor in einem glaubwürdigen, begründeten und relevanten Inhalt. Danach muss man sich selbstverständlich immer noch die Frage stellen, welche Verpackung dem Inhalt, dem Absender und dem Empfänger gerecht wird (das didaktische Dreieck lässt grüssen).
Und sie sprachen zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, wie er auf dem Weg zu uns redete und wie er uns die Schriften öffnete?
Lukas 24;32
"Bubble-Kirche"
Vor kurzem besuchte ich eine Gewerbeausstellung in ländlichem Gebiet. Da gab es einen tanzenden Trachtenchor und überall hochengagierte Freiwillige. Für mich war das wie eine Reise in ein exotisches Land voll fremder Düfte und unbekannter Rituale. Ich realisierte einmal mehr, wie sehr ich in einer «Bubble» lebe. Ich umgebe mich mit Gleichgesinnten: Urbane, gut gebildete Mittelschicht mit ökologischem Bewusstsein und bünzligen Hobbys. Ich bin der lebendige Beweis für das, was soziologische Studien längst erkannt haben. Wir alle leben in unseren abgeschotteten Milieus. Wir treffen uns mit Menschen, die uns aufgrund derselben Werteorientierung sympathisch sind. So bleiben die Steampunks unter sich, genauso wie der Jassklub.
Nur eine Institution, so hält der scharfzüngige Autor C.K Chesterton fest, widersetzt sich dieser Entwicklung hartnäckig. Steige durch den Kamin in ein beliebiges Haus und Versuche so gut als Möglich mit den Menschen dort zu leben. Das etwa passiert bei der Geburt. Vater und Mutter liegen auf der Lauer und fallen über uns her wir Räuber aus dem Gebüsch. Familie haben wir uns nicht ausgesucht. Die vielen Spielarten von Menschen die sich in einer Familie finden lassen sind einfach da. Das ist unberechenbar nicht immer sehr bequem- und gerade deshalb ist es gut! Denn für eine gesunde Entwicklung brauchen wir eine entschiedene geistige Konkurrenz. In der Familie, schreibt Chesterton, betreten wir ein Märchen voll Abenteuer.
Versteht man Menschen die sich auf Jesus einlassen als «von neuem Geboren» (Vgl. Joh 3), dann sollten auch solche Baby-Christen sich in einem divergenten Umfeld wiederfinden. Einer Kirche voll Menschen die man sich nicht ausgesucht hat und anders sind. Die Realität sieht etwas anders aus. Die Kirchenlandschaft hat sich in unzählige «Milieukirchen» aufgesplittert. Ich bete dass wir nicht zu monotonen Versammlungen verkommen, sondern vielfarbige Gemeinschaften bleiben. Zur Gesundheit von uns allen und zum Zeichen dafür, dass Gottes neue Welt angebrochen ist.
„Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir.“ (Offenbarung 15,4)
"Mein Blick aufs Bundesratsreisli"
Der Gesamtbundesrat besuchte auf seinem «Bundesratsreisli» auch unsere kleine Stadt. Dabei gab es ein «Volksapéro» mit der Möglichkeit, den Frauen und Herren der Landesregierung persönlich zu begegnen. Meine Frau packte die Gelegenheit beim Schopf und konnte mit mehreren Personen aus dem Kreis der Sieben ein Gespräch führen. Dabei ist ihr aufgefallen, dass nur wenige Gäste an Gesprächen mit den Magistratinnen und Magistraten interessiert waren. Die meisten waren mit ihrem Smartphone auf Trophäenjagd. Ein Selfie da, ein Selfie dort. So ging meine Frau ohne Foto, dafür mit wertvollen Eindrücken, neuen politischen Haltungen und einigen privaten Informationen der Bundesräte nach Hause.
Es ging nicht lange, da tauchten auf sozialen Medien Fotos von meiner Familie auf – vertieft im Gespräch mit Herrn Berset oder Frau Sommaruga. Abends sehe ich meine Familie auf dem Portal einer Gratiszeitung und einige Tage später humorvoll karikiert auf dem Onlineportal Watson.ch. Meine Frau verzichtete auf Selfies und erhielt perfekte Fotos als Beigabe.
Unweigerlich erinnert mich dieser Zusammenhang an einen Text aus der Bibel. Wer sich auf das Wesentliche konzentriert, erhält als Beigabe Überraschendes. Ein wackliges Smartphone-Selfie kann vielleicht kurzfristig begeistern, aber wird kaum lange nachwirken. Mich erinnert das «Bundesratsreisli-Gleichnis» daran, die Prioritäten richtig zu ordnen.
"Noch einmal"
Sitzt meine Tochter auf der Schaukel, ist sie von da kaum wieder wegzubringen. Hält man mit anschubsen inne, ruft sie lautstark: «Meeehr!» Kinder haben eine überschäumende Vitalität. Gefällt ihnen etwas, verlangen sie nach endloser Wiederholung. So schaukelt meine Tochter, bis sie sich kaum mehr an den Seilen halten kann.
Sich wiederholende Phänomene müssen meist für ein mechanisch-deterministisches Weltbild herhalten. Wenn sich alle Dinge automatisch wiederholen, ist kein Bedarf mehr für einen Gott. Der englische Schriftsteller G.K. Chesterton hätte gerade im Schaukeln meiner Tochter den Gegenbeweis gesehen: «Gut möglich, dass Gott jeden Morgen ‘Bitte nochmal!’ zur Sonne sagt und jeden Abend ‘Bitte nochmal’ zum Mond. […] wir haben gesündigt und sind alt geworden, während unser Vater jünger ist als wir.» Gott ist innerlich wild und vital wie ein Kind, da er sich an der Regelmässigkeit erfreuen kann, folgert Chesterton. Für Gott sind sich wiederholende Vorgänge keine mechanische Notwendigkeit oder ein zweckloses Schicksal. Vielleicht ruft Gott jeder blühenden Blume und jedem Vogel der ein Ei legt ein bühnenreifes ‘da capo’ zu.
Kommt beim Schaukeln wieder mal langweile auf, dann erinnere ich mich: Gott wird nicht müde, vor meinen Augen jeden Tag regelmässig Wunder um Wunder zu vollbringen. Jeder Windhauch ist ein Zeugnis eines absichtlich handelnden Gottes. Auch ohne dass ihm jemand «bitte noch einmal» zuruft.
"Das Glaubens-Öl"
Für lärmige Töfflimotoren reicht normales Benzin nicht aus. Zweitaktmotoren brauchen speziellen Kraftstoff. Jeder Töfflibueb weiss: Für einen reibungslosen Betrieb braucht es ein Bezinölgemisch. In dieser Kolumne geht es mir um einen ausgewogenen Glauben, damit der Motor für Jesus nicht nur bis zur nächsten Kurve rund läuft.
Ich freue mich an den vielen Bewegungen, die das übernatürliche Wirken von Gott neu betonen. Gottes Vollmacht offenbart sich in der Tat durch Zeichen und Wunder. Der von einem jungen Team gedrehte Film «Christ in You» berichtet eindrücklich von solchen Ereignissen. Sind wir deswegen alles «Miracle Makers», wie ein Prediger kürzlich sagte? Gehören zu einem Leben mit Jesus zwangsläufig Zeichen und Wunder?
Dostojewski erzählt im Roman «Die Brüder Karamasow» folgende Story: Jesus kommt noch einmal auf die Welt und wird prompt von einem Grossinquisitor seiner eigenen Kirche angeklagt. Die Anschuldigung: Jesus habe sich sträflich verschuldet. Er habe das stärkste Mittel verspielt, das ihm zur Verfügung stand: Wunder. Als Jesus in der Wüste versucht wurde oder am Kreuz hing, hätte er mit einem Wunder alle Zweideutigkeiten beseitigen können. Jesus hätte die Macht gehabt, den Glauben zu erzwingen – und tat es nicht! Der Allmächtige ermächtigt uns so zu leben als existiere er nicht, sagt Dostojewski dazu. «Aber so ist Liebe». Am Kreuz begrenzt Gott seine Allmacht, damit er unser Herz gewinnen kann, schreibt Emil Brunner. Zu Gottes Allmacht gehörten also immer auch die Passion und das Kreuz. Die Kirche darf sich keiner Mittel bedienen, die Jesus selber ablehnte. Wunder gehören zum Glauben, aber auch das Aushalten von Leiden und das solidarische Mit-Leiden. Nur mit diesem Öl läuft unser Glaubensmotor auf die Länge nicht heiss.
"Rettet die Predigt"
Wird nichts unternommen, wird sie aussterben. Schon länger steht sie auf der Liste der bedrohten Arten. Besonders gefährdet ist sie im Habitat der christlichen Jugendarbeit. Ich selber habe sie schon länger nicht mehr zu Gesicht bekommen – die Bibelpredigt. Solche Predigten, die einen zusammenhängenden Bibeltext als Grundlage haben, an der sich Inhalt und Struktur der Predigt orientiert, werden mehr und mehr von eingewanderten «Inputs» oder auch «Themenpredigten» verdrängt. Vielleicht findet ihr den Vergleich amüsant. Ich will euch aber nicht zum Lachen bringen. Dafür bewegt mich das Thema zu sehr.
In Inputs erzählt der Preacher ein spannendes, meist lustiges Erlebnis, locker durchmischt mit eingestreuten Bibelversen. Das Gehörte ist oft äusserst unterhaltsam und wenig anspruchsvoll. Selten geht es über das hinaus was wir schon oft gehört haben. Bewegt sich doch der Prediger, wie überhaupt jeder Mensch, nie über seinen eigenen begrenzten Erfahrungshorizont hinaus. Keinesfalls war früher alles besser. Ab und zu mag ich sogar einen Input. Niemand sollte sich jedoch nur von Weissbrot ernähren.
Ich will viel lieber über das sprechen, was ich mag: Prediger, die mit uns in einen Bibeltext eintauchen. Manchmal eile ich nach solchen Predigten nach Hause, um die Textpassage in der Bibel nachzulesen. So sehr hat mich die Story berührt, die Gott mit seinem Volk schrieb. Solche Bibelpredigten verankern sich tief in meinem Herzen und meinem Verstand und geben mir im Alltag Kraft und Orientierung. Wir brauchen mehr solche Vollkorn-Bibelpredigten in denen uns Worte aus der Heiligen Schrift zugemutet werden. Predigten in denen Mose, Lukas oder Paulus und nicht nur der Preacher zu Wort kommt. Wenn es sein muss auch in Lutherdeutsch1984, aber sicher mehr als nur in einem Vers.
Liebe Jugendverantwortliche: Habt bitte den Mut, biblische Texte als Grundlage eurer Predigt zu nutzen. In der Bibel und nicht in emotionalen Episoden geistlicher Helden vernehmen wir bleibende Worte des Lebens, die Menschen seit Jahrtausenden zu transformieren vermögen. Braucht eure persönlichen Geschichten als Illustration, aber nicht für mehr
Gute Nacht für die "Generation Stress"
Der CS-Jugendbarometer bezeichnet die Jugendlichen von heute als «Generation Stress». Schweizer Jugendliche haben viel. Und damit auch viele Erwartungen. Man will alles auf einmal und manchmal auch Dinge, die sich im Grunde gegenseitig ausschliessen: Karriere machen, aber gleichzeitig eine ausgewogene Work/Life-Balance pflegen, selbständig sein und bei einer internationalen Firma arbeiten, weniger sparen, aber auch ein Haus kaufen. In den Biografien der wenigsten werden sich all diese Dinge miteinander verknüpfen lassen. Macht nichts! Der christliche Glaube hat auch für die «Generation Z» eine frohe, hochaktuelle und anstössige Botschaft: Wir sind hier nur auf der Durchreise. «Unser Vater erfreut uns auf unserer Reise mit manchem angenehmen Gasthaus», schreibt C.S. Lewis, «aber er will uns nicht ermutigen, es fälschlicherweise als unser ‚Zuhause‘ zu halten.» Nein, Christen sind keine asketischen, weltfremden Menschen, die lediglich auf die Erlösung im Jenseits hoffen. Christen kosten das Leben voll aus, weil sie den Geber des Lebens kennen. Wer jedoch alles vom Leben hier und jetzt erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Ich habe noch sehr viel auf meiner Bucketlist. Ich habe jedoch den Verdacht, dass mir einiges verwehrt bleiben wird. Ein Leben reicht nicht aus für den Pilotenschein, die Besteigung aller 8000er und das Schreiben vieler
tiefgründiger Bücher. Das ist aber auch gar kein Problem. Weil mir der christliche Glaube Hoffnung auf eine handfeste Zukunft in Gottes neuer Welt eröffnet, muss nicht jeder Wunsch hier und heute in Erfüllung gehen. Das nimmt mir viel Stress.